Ausgangspunkt der „Marquise von O…“ ist die skandalöse Begebenheit einer unwissentlich zustande gekommenen Schwangerschaft. Durch verschiedene sprachliche Mittel wird der Geschichte ein Eindruck von Authentizität verliehen. Zu diesen Mitteln zählen beispielsweise der Untertitel „Nach einer wahren Begebenheit, deren Schauplatz von Norden nach dem Süden verlegt worden“ sowie die Abkürzung der in der Novelle erwähnten Orts- und Personennamen. Letztere legt eine tatsächliche Existenz von Figuren nahe, deren Identität nicht preisgegeben werden darf. Der tatsächliche Wahrheitsgehalt der Novelle ist jedoch fraglich.
An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. – Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können. Er besaß in einem Dorfe, das noch von ihm den Namen führt, einen Meierhof, auf welchem er sich durch sein Gewerbe ruhig ernährte; die Kinder, die ihm sein Weib schenkte, erzog er, in der Furcht Gottes, zur Arbeitsamkeit und Treue; nicht einer war unter seinen Nachbarn, der sich nicht seiner Wohltätigkeit, oder seiner Gerechtigkeit erfreut hätte...